Gemeinde

150 Weißdorn-Pflanzen: Jubiläumspflanzung eines „Klimahelden“

WEISSDORN, DIE ERDE LIEGT IN UNSERER HAND, REK. EVA SCHULEV-STEINDL, VIZEREK. GERHARD MANNSBERGER, BM. JOHANNES BAUER, ING. JOHANN SPIES, LTPR. KARL WILFING Weißdorn-Projektstarter: Herbert Kefeder

Nichts gegen Festschriften, doch dem BOKU-Spirit liegt eine Erweiterung des Grünraums – noch dazu um eine resiliente Pflanze wie den Weißdorn – näher. Sie erfolgte anlässlich des 150 Jahr-Jubiläums der Universität symbolträchtig durch Rektorat, Studierende und Lehrende in der Schneeberg-Gemeinde Willendorf (NÖ):

Ein bleibendes Geschenk anlässlich des Jubiläumsjahres der BOKU Wien übergab Univ.-Prof.in MMag.a Dr.in Eva Schulev-Steindl an den GF der Neunkirchner Wirtschaftsbetriebe (nkwb) welche die 150 Weißdorn-Pflanzen (Crataegus monogyna) im November gemeinsam mit DI Gerhard Mannsberger, Vizerektor für Personal, Organisation und Digitalisierung, Dipl.Ing Susanne Riedel und Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Andreas Spornberger (BOKU Institut für Wein- und Obstbau) entlang des Wanderwegs auf den Kienberg setzten. „Diese Pflanze ist geradezu ein Symbol für unsere Universität“, spielte die Rektorin auf die Langlebigkeit und Vielseitigkeit des Weißdorns an. Dazu nimmt die Jubiläumspflanzung ein Forschungsprojekt auf, das sich mit den Chancen von Crataegus monogyna als Nischenkultur in der Schneebergregion beschäftigt hat.

Für DI Susanne Riedel (BOKU Institut für Gartenbau) war die Feierstunde eine Rückkehr an den Schauplatz ihrer ein Jahr währenden Untersuchung. Als Teil ihrer Masterarbeit erforschte DI Riedel vor allem die Klimaresistenz des Weißdorns. Die relativ hoch gelegene Zone im Schneebergland und das trockene Kleinklima ergaben dafür ein ideales Umfeld. Ihr Fazit, das auch in der TV-Sendung „KlimaheldInnen“ (Puls 4) ausgestrahlt wurde: „Der Strauch integriert in das Landschaftsbild, verringert die Transpiration und erhöht zum anderen die Artenvielfalt. Gleichzeitig profitiert der Landwirt mit relativ geringem Aufwand von einer zusätzlichen Einkommensquelle während des ganzen Jahres“.

Denn der Weißdorn ist seit langem als wichtige Arznei-Pflanze bei Bluthochdruck und chronischen Herzleiden bekannt. In pharmakologischer Hinsicht sind aber alle Teile – Blüten, Blätter und Früchte – des Weißdorns verwendbar. Der Aufwand in der Pflege sei gering, so die BOKU-Spezialistin, denn die meisten Bewirtschaftungsmaßnahmen würden in weniger arbeitsintensiven Monaten von den Landwirten durchgeführt. Wesentlich für die Zukunft als Kulturpflanze wird der Auslichtungsschnitt in einem zwei- bis dreijährigen Zyklus sein, „um den Blüten- oder Fruchtertrag zu steigern, das Licht in den Bäumen zu erhöhen und die Biomasseproduktion anzuregen“.

Die Nutzung als Landschaftsschutz soll bewusst um das Bewirtschaftungspotenzial erweitert werden. Deshalb obliegt die Pflege der 150 Jubiläumspflanzen den Neunkirchner Wirtschaftsbetrieben (NKWB), dessen Geschäftsführer Ing. Johann Spies die Weißdornkultur „als unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit“ bezeichnete. „Auch regionale Unternehmen werden zunehmend anhand ihrer Umweltbilanz bewertet“, ist er überzeugt. Als dritter Partner dieses Projekts stellte die Gemeinde Willendorf den Grund für die Pflanzung zur Verfügung. Bürgermeister Ing. Johannes Bauer sieht als ausgebildeter Waldwirtschaftsexperte aber nicht nur das Potential für die Arzneimittel. „Vielleicht ergibt sich aus dem geplanten „Blühfest“ auch eine Art regionale Variante des japanischen Kirschblütenfests“.

Weißdorn: Platz der Feen, Schutz der Landwirtschaft

Da hatte auch Zauberer Merlin keine Chance: Den Bannkreis der Fee Viviane kann er in der Artus-Sage nicht mehr verlassen. Symbol dieses (über)mächtigen Schutzes ist der Weißdorn. Denn unter ihm schlief der Magier in der Sage ein, ehe der Feenzauber wirkte. Auch Odin versetzt in der nordischen Mythologie die Walküre Brünhilde durch einen Weißdorn-Stich in Zauberschlaf.

Tatsächlich erzählt bereits der Name Crataegus von der Stärke der Pflanze; im Griechischen bedeutet „krataios“ stark oder fest. Die außerordentliche Härte des Holzes des Rosengewächses dürfte hier zum Namensgeber geworden sein. Im keltischen Alphabet, dessen 20 Zeichen allesamt auf Bäume bezugnehmen, steht der Weißdorn für das „U“. Neben der Eiche und der Esche zählt der Weißdorn zu den heiligen Bäumen, da seine Blüte mit dem Sommerbeginn des keltischen Kalenders („Beltane“) am Vorabend des 1. Mai zusammenfällt.

In einem Punkt treffen sich diese Mythologien, nach der in den Hecken „gute Geister“ oder Feen wohnen, mit der Forschung: Crataegus-Hecken sorgen für Biodiversität, vor allem als Brutplatz von Vögeln dienten sie der natürlichen Schädlingsbekämpfung in der nicht-industrialisieren Landwirtschaft.

Die bei den Römern, Indianern und Chinesen gleichermaßen zu findende Bedeutung dieses weiß blühenden Gehölzes in der Volksmedizin macht es wohl auch in der berühmten Geisterballade „Lenore“ (Gottfried August Bürger) zum Protagonisten. Das berühmteste Denkmal setzte dem Crataegus monogyna aber Marcel Proust. Der Duft des Weißdorns wird in der „Suche nach der verlorenen Zeit“ ebenso zum Auslöser der Erinnerung wie die viel berühmteren Madeleines: „Aber wie lange ich auch vor den Weißdornbüschen verharrte und ihren unsichtbaren und in der Luft stehenden Geruch einatmete […], sie spendeten in steter und unermüdlicher, verschwenderischer Fülle ihren immergleichen Zauber, ohne mir jedoch zu gestatten, tiefer in ihn zu dringen, ähnlich wie bestimmte Melodien, die man hundertmal nacheinander spielen kann, ohne doch ihrem Geheimnis irgend näher zu kommen“.

Text Mag Roland GRAF (Weißdorn Projektteam Sprecher)

Projektleitung Herbert KEFEDER +43 664 73886447 / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Foto ©comtain.at/bissuti

 

Weißdorn: Wissenschaftliche Hintergründe (Text: DI Susanne K. Riedel)

Neben dem hohen Wert als Landschaftselement in Parkanlagen, Gartenbau und Landwirtschaft findet der Weißdorn (Crataegus spp.) auch als pflanzliches Arzneimittel in der modernen Medizin und Phytotherapie Anwendung. Aufgrund des hohen Gehalts an sekundären Pflanzenstoffen wird Crataegus zur Behandlung von chronischen Herzerkrankungen und Bluthochdruck eingesetzt. Vor allem phenolische Verbindungen wie Proanthocyanidine und Flavonoide sind für die gesundheitsfördernde Wirkung verantwortlich. Für Arzneimittel können alle Pflanzenteile von Crataegus verwendet werden. Jedoch stammen 80 % der Rohdroge, die für pharmazeutische Zwecke verarbeitet wird, aus Wildsammlungen in Ost-Europa und Asien. Die Art Crataegus monogyna ist auch unter dem Namen Weißdorn oder Einsamiger Weißdorn bekannt. Crataegus monogyna wird der Gattung Crataegus zugeordnet und ist in Europa, Nordwestafrika und Westasien heimisch. Die Mitglieder der Gattung Crataegus weisen in der Regel eine begrenzte morphologische Variationsbreite innerhalb der Gattung auf. Alle Arten wachsen als verholzende Sträucher oder Bäume mit ähnlichen Blatttypen und Blütenständen. Diese typischen fünfzähligen, unspezialisierten Blüten entwickeln sich zu Steinfrüchten. In Europa sind zwei Weißdornarten am weitesten verbreitet, die Geschwisterarten Crataegus leavigata und Crataegus monogyna. Aufgrund der genetischen Ausgangslage neigen beide Arten stark dazu, sich zu kreuzen. Dies erschwert die genaue Bestimmung einzelner Arten. Je nach Klimazone entwickeln Crataegus-Arten mesophytische oder xerophytische Eigenschaften. Somit kann Weißdorn auch im angesicht des Klimawandels, hervorragend als klimatolerante Pflanze eingesetzt werden.

Wie es sich in der Schneeberg-Landregion Niederösterreich gezeigt hat, gedeiht Weißdorn durch die gute Anpassungsfähigkeit trotz trocken Perioden und hohe UV-Strahlung sehr gut. Im Jahr 2019 wurde gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur erstmals der pharmazeutische Wert von Weißdorn aus der Schneeberg Landregion untersucht. Diese einjährige Untersuchung gab einen Eindruck über das vielversprechende biochemische Potenzial von verschiedenen Pflanzenteilen von Crataegus monogyna, die in Niederösterreich angebaut werden. Der Strauch integriert in das Landschaftsbild, verringert zum Einem die Transpiration und erhöht zum anderen die Artenvielfalt. Gleichzeitig profitiert der Landwirt mit relativ geringem Aufwand von den gewonnenen Rohdrogen und Früchten als zusätzliche Einkommensquelle während des ganzen Jahres. Ein weiterer attraktiver Aspekt ist, dass die meisten Bewirtschaftungsmaßnahmen in weniger arbeitsintensiven Monaten für die Landwirte durchgeführt werden können. Die vielversprechendsten Bewirtschaftungsmaßnahmen sind eine Einzelstammerziehung und ein Auslichtungsschnitt in einem zwei- bis dreijährigen Zyklus, um den Blüten- oder Fruchtertrag zu steigern, das Licht in den Bäumen zu erhöhen und die Biomasseproduktion anzuregen. Je nach individuellem Produktionsziel, Zeitaufwand und Bewirtschaftungspotenzial hat der Landwirt die Möglichkeit, von Blättern und Blüten im Frühjahr oder von Früchten im Herbst zu profitieren. Jedes Produktionsziel hat seine eigenen Vor- und Nachteile.

Aus der vorangegangenen Untersuchung und dieser einjährigen Beobachtung kann geschlossen werden, dass diese Region das Potenzial als Anbaugebiet für Crataegus ssp. hat und eine attraktive zusätzliche Einkommensquelle für Landwirte während des ganzen Jahres sein kann. Schließlich gehören Heilpflanzen zu den nachwachsenden Rohstoffen, und der Anbau neuer Arten erweitert die Möglichkeiten der alternativen Landnutzung in der Landwirtschaft, zumindest in einigen Nischen. Neben den monetären Aspekten kann der Landwirt von verschiedenen positiven agrarökologischen Werten wie der Kontrolle der Bodenerosion, dem Windschutzeffekt und der erhöhten Biodiversität profitieren.

Um die Produktion von Crataegus monogyna als Nischenkultur in Niederösterreich zu etablieren, sind jedoch noch weitere Untersuchungen produktionsrelevanter Faktoren notwendig. Vor allem der manuelle Rückschnitt und die Ernte von Blattblütendrogen und Früchten tragen zu hohen Produktionsfaktoren bei. Die getestete Schnittbehandlung ist ebenfalls ein manueller Ernteschnitt und mag für eine kleine Anzahl von Individuen attraktiv sein, eine größere Anzahl sollte jedoch maschinell geerntet werden. Die Entwicklung automatischer Geräte für den Schnitt und die Ernte ist unerlässlich, um den Anbau von Crataegus monogyna für Landwirte und den Markt erschwinglich zu machen.

Vor allem in Zeichen des Klimawandels könnte der Weißdorn Anbau für die Schneeberg Landregion in Niederösterreich eine attraktive Nischenkultur sein. Jedoch wird für eine adäquate Bewertung des tatsächlichen Einflusses des Anbaugebietes Schneeberg Landregion in Niederösterreich mehr Forschung benötigt.

 

 

 

Landhaus-Noe



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Angela Reiterer
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